Sonntagmitternacht, das Betriebsübergreifende Streikkomitee versammelt sich mit ca. 200 Personen an einem geheimen Ort, während viele andere im Solidaritätszentrum der Arbeiterschaft Karten spielen, um die Polizei abzulenken, von der sie ungeduldig überwacht werden. Was zu Beginn ein friedlicher Generalstreik werden sollte, würde sich in eine Bewegung verwandeln, die Geschichte schreiben und diese verändern sollte.
Hintergründe
Es ist sehr wichtig, die Beweggründe dieser Revolutionswoche zu verstehen. Das bekannteste Motiv war die Entsendung von Soldaten in den Krieg mit Marokko. Nach dem Verlust von Kuba und den Philippinen versuchte Spanien eine größere Präsenz in Nordafrika zu bekommen, genauer gesagt im Norden von Marokko.
Natürlich leisteten die Marokkaner Widerstand, weshalb der spanische Präsident Maura Marokko den Krieg erklärte.
Das nun Folgende war eine Kettenreaktion auf diese Ereignisse, denn als Spanien in den Krieg zog, brauchte das Land Soldaten, die es nicht hatte. Was war die Lösung? Die katalanischen Reservisten, die nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden konnten, da sie ihren Militärsdienst bereits geleistet hatten. Es handelte sich dabei in der Regel um arme Männer (wenn man einen Betrag in Höhe von 1500 Peseten zahlte, musste man keinen Militärdienst leisten) und Familienväter, was ein weiteres Problem mit sich führte: sie mussten ihre Familien mit nichts in den Händen zurück lassen.
Für viele Leute wanderten die Soldaten geradezu ins Schlachthaus, denn der Tod war beinah gewiss. Und das alles wozu? Um die Interessen der privilegierten Klassen zu schützen?
Zweifellos konnte sich eine so große Revolte wie die der semana trágica (‚tragische Woche’) nicht nur auf Grund dieses Motivs entwickeln, es war lediglich der Funke, der das Feuer entfachte, denn die eigentlichen Motive waren tief mit den sozialen Umständen, in denen man in Barcelona zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebte, als auch mit dem großen Ressentiment verwurzelt, das man gegen die Mächtigen und die privilegierten Klassen hegte.
- Die Leute lebten am Rande der Gesellschaft in den Vororten der Stadt.
- In Wohnungen, die nicht die geringste Hygiene aufzuweisen hatten.
- Ressourcenmangel, weshalb die Einschulung der Kinder unmöglich war und die Kinder ab dem 8. Lebensjahr in Fabriken arbeiten mussten.
- Arbeitstage von 12 bis 13 Stunden, sogar sonntags.
- Keine Art von sozialer Absicherung.
Unter diesen Umständen betrachtete man den Krieg als einen egoistischen Akt, der einen Angriff auf die Wirtschaft der katalanischen Familien und noch mehr auf die Menschen selbst darstellte.
Der Verlauf der Woche:
Montag, 26 Juli
Der Generalstreik wurde mehrheitlich in Barcelona, Sabadell, Terrasse, Badalona, Mataró, Granollers und Sitges ausgerufen. Zur Koordinierung und Leitung wurde ein Streikkomitee gegründet. Die Behörden befahlen der Armee auf die Straße zu gehen, wo sie von der Bevölkerung mit Rufen wie „Es lebe die Armee!“, „Nieder mit dem Krieg!“ und „Kämpft für unsere Brüder in Marokko!“ empfangen wurde.
Ab acht Uhr morgens steht die Stadt still, die Geschäfte und Fabriken schließen und die Straßenbahnen fahren nicht. Das Spezielle an dieser Woche ist die Komplizenschaft, die zwischen der Armee und den Rebellen entsteht. Die Armee wollte nicht gegen die Bevölkerung kämpfen, da diese auf ihren Demonstrationen die Soldaten verteidigte, die nach Marokko geschickt worden waren. Aus diesem Grund lag die Befehlsgewalt über der Stadt nur noch in den Händen der spanischen Polizei (Guardia Civil) und den Sicherheitsorganen.
Vertreter der Solaridad Obrera (`Solidarischen Arbeiterschaft´) wollen vom Streik zur Revolution übergehen und das gleiche gilt für einige radikale Anführer. Doch noch will oder traut sich niemand den Aufstand in die Tat umzusetzen.
Die Regierung wurde ebenfalls unruhig, als sich der Minister De la Sierva und der Gouverneur Ángel Ossorio y Gallardo auf Grund ihrer Vorstellungen nicht einig wurden. Schließlich stimmte man einstimmig für den Minister De la Sierva (und seine Vorstellungen von der politischen und sozialen Revolution) und der Kriegszustand wurde ausgerufen. Der Gouverneur Ossorio y Gallardo, der davon ausging, dass die Situation mit traditionelleren Mitteln zu kontrollieren sei, legte sein Amt nieder.
Montags um ca. 11:30 Uhr ereignete sich etwas, das diese Rebellion für immer prägen sollte: der Brand in der Arbeiterstiftung von San José in Poblenou. Es war das erste von 80 religiösen Gebäuden, darunter Pfarrkirchen, Ordensschulen und Wohltätigkeitsinstitutionen, die in dieser tragischen Woche angezündet wurden.
Dienstag, 27. Juli
Aus Marokko kamen Nachrichten über die Niederlage im Barranco del Lobo (‘Wolfsschlucht’), bei der 200-300 Reservisten ums Leben kamen. Auf Grund dieser Nachrichten wurden Barrikaden in den Straßen errichtet, die ganze Viertel und Kirchen voneinander isolierten.
Die antikirchlichen Proteste gingen weiter, viele Kirchen wurden angezündet und es ereignete sich einer der makabersten Vorfälle dieser Woche: die Schändung von Grabmälern, weil man auf der Suche nach Spuren von Folterungen und Orgien war. Die Mumien der Nonnen werden ausgegraben und von den Ramblas bis zur Plaza San Jaime aufgestellt. Man sucht krankhaft nach den Mythen von den Schätzen der Kirche und findet viel Geld und Schmuck.
Dienstagmittag wird mit den Barrikaden begonnen, die sich auf die gesamte Stadt und andere Vororte von Barcelona ausweiten. Sie sollen die Stadtteile und die verbrannten Kirchen voneinander isolieren.
Mittwoch, 28. Juli
An diesem Tag geschah nicht allzu viel. Es ging alles im gleichen Rhythmus wie gehabt.
Donnerstag, 29. Juli
Scharfschützen verbreiten von den Dächern der Gebäude aus Schrecken in den Straßen, während sich die Politiker zwar versammeln, allerdings keine Entscheidung treffen, da kein Politiker die Verantwortung übernehmen will und viele verschwunden sind. Aus Valencia, Zaragoza und Pamplona kommt eine ca. 10.000 Mann starke Verstärkung und am Donnerstag werden die Viertel Poble Nou, el Clot und Sant Martín geräumt.
Freitag, 30. Juli
Die militärische Einnahme der verschiedenen Viertel geht weiter, einige öffentliche Dienstleistungen werden wieder eingesetzt und die Inbrandsetzung religiöser Gebäude endet ebenfalls. An diesem Tag sticht wieder ein Schiff voller Soldaten in Richtung Marokko-Krieg in See.
Samstag, 31. Juli
Der Militärgouverneur lässt öffentlich bekannt geben, dass sich die Einwohner wieder frei in den Straßen bewegen können. Geschäfte und Banken werden geöffnet.
Sonntag, 1. August
Die Behörden machen sich an die Arbeit, um die Urheber der Vorkommnisse zu bestrafen. Militärtribunale werden harte Urteile gegen die Streikausrufer aussprechen. Die Erschießung von Francisco Ferrer i Guàrdia, dem Hauptangeklagten in Bezug auf die Ereignisse der semana trágica, sorgt auf nationaler und internationaler Ebene für Unruhe. Der spanischen Regierung werden Korruption und schmutziges Handeln vorgeworfen. Der Druck bringt den Präsidenten Antonio Mauro zum Sturz. Vor diesem Hintergrund tritt der König für eine Machtergreifung der Liberalen ein.
Gründe für den Erfolg des Streiks
- Viele Arbeitgeber und Eigentümer fühlen sich auf Grund des Mangels von Sicherheit ungeschützt und schließen ihre Lokale. Laut vielen Historikern liegt darin eine der Ursachen für den Erfolg des Streiks.
- Die katalanische Regierung unternimmt nichts und wartet auf Verstärkung.
- Es findet ein Pakt zwischen der Armee und der Bevölkerung statt.
Wer war Francisco Ferrer i Guàrdia?
Ein Revolutionär, Freidenker und Verschwörer, der mit dem unter kirchlicher Vorherrschaft stehenden Spanien brechen wollte, einem autoritären, unnachgiebigen, veralteten und oligarchischen Spanien, weshalb er ein Erziehungsprojekt namens „moderne Schule“ (‚la escuela moderna’) gründete, um Werte wie Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit zu verbreiten. Er wollte gegen diese sektiererische, fanatische und dogmatische Lehre kämpfen, die in jenen Jahren von der Kirche verbreitet wurde, die wiederum die Erziehung in ihren Händen hielt.
Er war des Attentats auf den König Alfons XIII. beschuldigt worden und musste für ein Jahr ins Gefängnis. Aus diesem Grund war er in der Gesellschaft in moralischer Hinsicht in Verruf geraten.
Auch wenn er nur minimal an den Ereignissen dieser tragischen Woche Anteil hatte, war er die perfekte Person, die für all das Geschehene in dieser Woche angeklagt wurde. Er war in der Woche an der Teilnahme ausgeschlossen worden und versuchte in zwei kleinen Dörfern, in Premia de Mar und Masnou, die lokalen Behörden dazu zu bewegen, die Republik auszurufen. Dies wurde nicht getan, doch es war der Hauptbeweis für die Anklage, die Verurteilung und später für seine Erschießung im Castillo de Montjuïc am 13. Oktober 1909.
Und der Rest Spaniens? Konservative Regierung von Maura
Barcelona war komplett von der Zugstrecke als auch vom Telefon oder Telegraf abgeschnitten, weshalb die Aufständischen nicht genügend Informationen hatten und davon überzeugt waren, dass sich der Aufstand auf andere Provinzen ausgedehnt habe. Der Regierungsminister De la Sierva nutzte diese Situation aus und verbreitete den Glauben, dass es sich um einen separatistischen Streik gehandelt habe. Auf diese Weise gelang es ihm, dass der Streik nicht von der Arbeiterschaft außerhalb von Katalonien getragen wurde.
Opfer:
- 119 Zivilisten
- Drei Geistliche
- Zwischen vier und acht Soldaten und Polizisten
- 3.000 Verhaftungen, von denen mehr als 1.700 vor Gericht kamen und von denen 17 zum Tode verurteilt wurden.
- Viele Verletzte und Tote, die nicht gezählt wurden, da sie nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause behandelt wurden und so nie in die offiziellen Zahlen eingegangen sind.
Was haltet ihr von diesem Artikel? Schreibt uns, was ihr über die Ereignisse ser “semana trágica” denkt!
Yhan